Das erste Ersatzorgan

von | 30. Mai 2024

In den 1960er-Jahren ersetzte zum ersten Mal eine Maschine die Funktion eines lebenswichtigen Körperorgans dauerhaft. Die künstliche Niere erhielt Menschen am Leben, welche die Medizin bis dahin nur beim Sterben hatte begleiten können. Diese Ausweitung des medizinisch Möglichen war jedoch kein einfacher Triumph über den Tod. Das erste Ersatzorgan brachte Probleme auf, die seither im Umgang mit Medizin wichtig geblieben sind.

Die wiederholte Anwendung der Organmaschine, die sogenannte Langzeitdialyse, war teurer als jede medizinische Behandlung zuvor. Auch in wohlhabenden Staaten wie der Schweiz begann ihre Eingliederung ins Gesundheitswesen mit strenger Selektion der Kranken. Um das Dialyseangebot auszubauen, rangen Spitäler, Krankenversicherer und Nierenkranke in wechselnden Allianzen um Einsparungen. Die Gewinnmargen von Medizinalfirmen und kommerziellen Dialyseanbietern gerieten in die Kritik. Ein Programm zur Selbstbehandlung zu Hause senkte Kosten, band aber Angehörige in hohem Masse ein. Betroffene setzten sich für eine Vergütung des privaten Aufwands ein – eine brisante Forderung im Zusammenhang mit ambulanter Medizin. Daneben machte die lebens­erhaltende Technik den Tod zu einer bewussten Wahl. Selbstbestimmung am Lebensende wurde zum anspruchsvollen Ziel.

Das Buch erscheint im Chronos-Verlag und kann hier vorbestellt werden. Am 17. Oktober 2024 stellt es der Autor in Bern vor.

Niklaus Ingold: Das erste Ersatzorgan. Die künstliche Niere und die Ausweitung des medizinisch Möglichen im Schweizer Gesundheitswesen, Zürich 2024.