Das Streben nach Fitness als Dystopie

von | 14. Mai 2018

Nein, derart gesund wollten die Filmschaffenden um Regisseur Roman Hollenstein nicht sein. Im Film «JE KA MI oder Dein Glück liegt ganz in dieser Welt» (Schweiz, 1978) wendeten sie sich gegen Gesundheitskampagnen von Sportverbänden und Fitnessunternehmen, die das Streben nach einem durchtrainierten, schlanken Körper als Weg zu Wohlbefinden und Glück propagierten. Für sie verbreitete diese «Gesundheitserziehung» ein Leistungsdenken, das allein auf die Herstellung wirtschaftlich nutzbarer Körper abziele und damit im Interesse der Herrschenden sei: der Unternehmer, der Militärs, der Regierung.

1978 an den Solothurner Filmtagen uraufgeführt ist JE KA MI ein Beispiel für die kritische Auseinandersetzung mit dem Streben nach Fitness in einer Zeit gesellschaftlichen und kulturellen Wandels. Niklaus Ingold benutzt den Film in seinem Beitrag zum Buch Stress und Unbehagen. Glücks- und Erfolgspathologien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Quelle, um die Anfangsphase des anhaltenden Fitnessbooms zu untersuchen. Der Beitrag handelt von ändernden Vorstellungen davon, was einen gesunden Körper ausmacht, und von unterschiedlichen gesellschaftlichen Problematisierungen dieser Gesundheitskonzepte.

Niklaus Ingold: Fitness als Glück? Gesundheit, Unbehagen und kein Sex im Film JE KA MI, in: Stephanie Kleiner und Robert Suter (Hg.): Stress und Unbehagen. Glücks- und Erfolgspathologien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Berlin: Neofelis 2018, S. 99-126 [Online].